Jürgen Kropp wurde 1955 in Büdelsdorf bei Rendsburg geboren und lebt seit 1994 als freier Schriftsteller in Blickstedt bei Kiel. In dreißig Jahren ist er neunmal mit Literaturpreisen ausgezeichnet worden: allein viermal mit dem Freudenthal-Preis, je zweimal mit dem Borsla-Preis und dem Klaus-Groth- Preis; zuletzt erhielt er als Krönung den Fritz-Reuter-Preis der Carl-Toepfer-Stiftung Hamburg. Darüberhin aus nahm er mehrfach erfolgreich an der NDR- Reihe „Vertell doch mal“ teil.
Am Anfang standen bei Kropp Lyrik und Theaterstücke. 1993 brachte ihm seine erste Geschichte „Ut’n Tritt“ auf Anhieb den zweiten Freudenthal-Preis ein; das animierte ihn zum Weiterschreiben. Jetzt hat er eine Auswahl von 27 Prosastücken vorgelegt. Die beiden kürzesten zählen nur eine halbe Seite, die längste hat 44 Seiten, ein Fünftel des Buches. Es sind lauter unkonventionelle, spannende Erzählungen, die erst mit den letzten Sätzen auf den Punkt gebracht werden. Viele Texte leben von der Formelhaftigkeit der plattdeutschen Sprache, wie es Friedrich Ernst Peters genannt hat, der den großen Roman „Baasdörper Krönk“ schrieb. Kropp nutzt diese Eigenart des Plattdeutschen, die auf den lange Zeit nur mündlichen Gebrauch der Sprache zurückgeht, meisterhaft als Mittel der Darstellung.
Ein Paradebeispiel ist das Gespräch zweier Männer an der Bahnsteigkante, das den vielsagenden Titel trägt „Wat wohrhaftig wichtig is“. Einer, der verreisen will, möchte einem andern, der gerade zurückkommt, unbedingt vermitteln, „wo dat langgeiht in’t Leven“ (S. 140-144), getreu dem Grundsatz „’n lütt Rat is mennigmal mehr wert as’n dick Book.“ Die Ratschläge gründen sich auf Erfahrungen, die jeder im Leben macht. „Wenn’n hüdigendags nich oppasst, denn hett en dat Leven ganz fix bi de Büx.“„Dat geiht faken fixer to Enn as du denkst.“ Wieder in einprägsamen Stabreim heißt es: „Bums büst’ buten!“ Es geht darum „mit op’n Weg geven, wo dat lang geiht in’n Leven.“ „Sien Leven indeelen, dor kummt dat op an“ und nicht „so hild as’n Rentner an de Supermarktkass“.
Vor der Drohkulisse „Du kriggst nix op de Reeg“ gilt es zu sehen, „’neem en dat Leven bi de Hörn kriggt.“ Während der Zug nach „Hevendorf“ schon angesagt ist, kommt Rudi Grootkopp endlich mit Fiete Möller, „den ollen Sabbelkopp“, über und beschreibt ihn: „De hett sik vertüdelt in sien eegen Leven“, ohne zu merken, dass er sich damit selbst charakterisiert. Mit den Worten „De Welt is plastert mit Stolpersteen“ nimmt er nichts ahnend seinen Unfall am Bahnsteig vorweg.
Jürgen Kropp bringt einen mit seinen „Vertellen to’n Smuustern un Gruwelen“. Dieser Untertitel des Buches trifft auf alle Erzählungen zu. Das ist der heilsame Doppelaspekt dieser Geschichten „Ut de Kehr“.
Jürgen Kropp: Ut de Kehr. Vertellen to’n Smuustern un Gruweln. Quickborn Verlag, Hamburg, 2017, 224 Seiten, fester Einband, handliches Format. ISBN 978-3-87651-441-3.
Heft Artikel von: Kröger, Heinrich