Das kürzlich erschienene Büchlein »Plattdüütsche Döntjes« setzt die Leidensfähigkeit der beileibe nicht verwöhnten Leserinnen und Leser des Quickborn-Verlags erneut auf eine harte Probe (siehe hierzu auch den Aufsatz »Geringschätzung der Sprache? Geringschätzung der Leser?« von Dr. Jens Bahns in Heft 4/2020). Dabei sehen die bloßen Zahlen diesmal eigentlich vielversprechend aus: 118 Witze auf 80 Seiten für 8,80 Euro. Oder, wie es im Klappentext heißt: »Dieses Buch versammelt über 100 plattdeutsche Döntjes, die in ihren Pointen kaum zu übertreffen sind«. 118 garantierte Lachmomente also. Oder zumindest doch Schmunzeloptionen. Ich hab das mal ausgerechnet: 8,80 geteilt durch 118 ergibt 0,07457627118644, also nicht mal acht Cent pro Döntje. Man kann daher nicht viel verkehrt machen beim Kauf dieses Buches, dachte ich mir, zumal in derselben Reihe (praktisch, quadratisch, gut?) u.a. auch schon zwei Worterklärungsbücher von Reinhard Goltz (2006 und 2007) und eine Geschichte der plattdeutschen Sprache von Heiko Gauert (2017) erschienen sind … doch Pustekuchen! – Das erste ungute Gefühl stellte sich [bei mir] bereits ein, als ich vergeblich nach dem Namen eines Herausgebers oder einer Herausgeberin suchte. Irgendjemand musste die Texte doch ausgewählt und zusammengestellt haben? Auf der Verlagshomepage wurde ich dann fündig. Ob die dort genannte Frederike Remm wohl geahnt hat, dass sie sich keinen Gefallen tun würde, mit dieser Publikation in Verbindung gebracht zu werden? Es kann ja sein und liegt wohl auch in der Natur dieser Kurz- und Kürzesterzählungen, dass die Urheberschaft in vielen Fällen nicht mehr festzustellen ist, umso mehr wünschte man sich dann aber doch bibliografische Angaben zu den Erstveröffentlichungen. Dass dies im vorliegenden Fall nicht geschehen ist, leistet der Vermutung Vorschub, dass hier alter Wein in neuen Schläuchen angeboten werden soll. Der editorische Anspruch scheint überhaupt ein bescheidener zu sein. Hätten nicht zumindest ein paar Seiten für eine kurze Einleitung reserviert werden können? Für ein paar Anmerkungen, die helfen könnten, die ausgewählten Döntjes in ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung besser einzuordnen? So aber besteht die einzige Orientierungshilfe in der Durchnummerierung von 1 bis 118. Keine chronologische Ordung, keine thematische, keine regionale oder sonstwie geartete Strukturierung, die den Leserinnen und Lesern einen informativen Mehrwert liefern könnte. Etliche der Döntjes wünschte man sich gelesen zu haben, bevor sie dem Übergang in das digitale Medium zum Opfer gefallen sind, soll heißen: bevor sie eingescannt und … ja, was eigentlich? … Man fragt sich jedenfalls, was die Herausgeberin eigentlich gemacht hat? Was sie nicht gemacht hat, ist offensichtlich: nämlich die Texte in eine einheitliche und sprachlich einwandfreie Form zu bringen. Ich spreche hier übrigens nicht von ein paar Verschreibungen und Flüchtigkeitsfehlern. Nach 118 Fehlern habe ich aufgehört zu zählen und mich ernstlich gefragt, ob die Texte überhaupt Korrektur gelesen wurden. Anders kann ich mir nämlich nicht erklären, was Phantasiewörter wie »schaffi« (für ›schafft‹), »Breefrnark« (für ›Breefmark‹), »geem« (für ›geern‹), »raseem« (für ›raseern‹), »Kellern« (für ›Kellner‹), »kiegen« (für ›kregen‹) und »Deem« (für ›Deern‹) in einem plattdeutschen Text verloren haben. Bezeichnend scheint auch zu sein, dass der Verlag diesmal gar nicht erst versucht hat, sich mit der üblichen Formel, nämlich dass die Schreibung der Verfasserin unverändert übernommen worden sei, herauszureden. Wohlgemerkt, es handelt sich um den renommierten Quickborn-Verlag, der 2020 mit dem Niederdeutschen Literaturpreis der Stadt Kappeln ausgezeichnet worden ist. Das Flaggschiff der plattdeutschen Verlagsflotte. Die verunglückte Veröffentlichung kann ich mir daher nur so erklären, dass in Pandemie-Zeiten möglichst schnell Geld in klamme Kassen gespült werden musste. Auf www.zahlenparty.de wird die Zahl 118 übrigens wie folgt kommentiert: »118 ist meine absolute Lieblingszahl! 118 for ever!!!« und »GurkenLimo bedeutet die Zahl sehr viel«. In der Tat: Die 118 ist eine ganz besondere Zahl. Sie hat vier Teiler (1, 2, 59 und 118) und ihre Quadratwurzel ist 10.8627804912. Mag sein, dass die beiden zahlenverliebten Spaßvögel dem Döntjes-Buch etwas abgewinnen können, ich kann es nicht und rate vom Kauf ab, zumindest solange, bis eine zweite, korrigierte Auflage erschienen ist. Humor ist aber, wenn man trotzdem lacht. Und das hab ich dann doch noch getan, beispielsweise über Döntje Nr. 28, bei dem ich allerdings unweigerlich an Frau R. und ihre Arbeitsauffassung denken musste: »So’n jungen Keerl slöppt jümmers bi sien Arbeit in’t Büro in. Na’n Tiet warrt sien Chef dat toveel, he weckt em un seggt: ›Se sünd fristlos entlaten!‹ ›Worüm dat‹, fraagt de junge Keerl, ›ik heff doch gar nix daan!‹«
Plattdüütsche Döntjes. Hamburg: Quickborn-Verlag 2021. 80 Seiten. ISBN 978-3-87651-479-6
Heft Artikel von: Thomsen, Heiko