Das kürzlich im Boyens-Verlag zu Heide erschienene Klaus-Groth-Lesebuch schließt eine Lücke, die im Groth-Jahr 2019 sichtbar wurde, waren doch Groths Werke seit Längerem nur noch in Einzelausgaben lieferbar (Quickborn, Vertelln, Memoiren). Mit dem Buch wird die Verlagstradition, Werke schleswig-holsteinischer, insbesondere dithmarscher Schriftsteller in attraktiven Leseausgaben auf den Markt zu bringen, fortgesetzt. Bereits 1990 erschien ein Theodor-Storm-Lesebuch, 2005 ein Claus-Harms- und 2018 ein Karl-Müllenhoff-Lesebuch. Stellt man die vier Bücher nebeneinander, fällt auf, dass das Groth-Buch mit seinen 184 Seiten in etwa dem Umfang der Storm- und Harms-Bücher entspricht, jedoch deutlich dünner als das Müllenhoff-Buch ist. In der Beschränkung der Seitenzahl und Auswahl der Texte, die der Herausgeber Robert Langhanke vorgenommen hat, steckt allerdings auch eine Stärke des hier zu besprechenden Buches, bietet es doch auf wenigen Seiten einen Überblick, der geeignet ist, »zum einen den Kennern Groths manche Wiederentdeckung [zu] ermöglichen und zum anderen neuen Lesern eine bisher unbekannte literarische Welt [zu] erschließen«, wie Langhanke in seiner kenntnisreichen Einleitung schreibt. Die angefügte Bibliografie enthält Hinweise zur weiteren Beschäftigung mit Groths Leben und Werk. Zur Textauswahl ist Folgendes zu sagen: Das Buch beginnt mit 30 Quickborn-Gedichten (von Min Modersprak bis zu Min Port), an die sich vier Kindergedichte anschließen, die erstmals in dem Band Vær de Gærn (1858) veröffentlicht wurden. Es folgen teils kürzere teils längere Auszüge aus den Prosaerzählungen Detelf (1855), Trina (1858), Min Jungsparadies (1871) und Um de Heid (1870) sowie aus dem Versepos De Heisterkrog (1871), das Groth selbst als sein gelungenestes Werk betrachtete. In die Sammlung aufgenommen wurden auch sechs von Groths hochdeutschen Gedichten aus den Hundert Blättern (1854), die trotz der Vertonungen durch Johannes Brahms meist im Schatten seiner plattdeutschen Gedichte standen, sowie ein Gelegenheitsgedicht, das Groth anlässlich der Einweihungsfeier des Nord-Ostsee-Kanals am 21. Juni 1895 geschrieben hat. Flankiert werden die literarischen Texte von einer Auswahl aus Groths theoretischen Schriften, beginnend mit dem programmatischen Vorwort zur ersten Auflage des Quickborn (1852), das vollständig wiedergegeben wird, einer charakteristischen Auswahl der Briefe über Hochdeutsch und Plattdeutsch (1858), dem autobiografischen Text Eine Lebensskizze (1858), der erstmals 1932 publiziert worden ist, sowie einem Brief vom 22. Dezember 1865 an Groths langjährige Korrespondenzpartnerin Louise Petersen aus Garding, der Einblicke in das Berufs- und Privatleben des Schriftstellers eröffnet und beispielhaft für den Briefeschreiber Klaus Groth stehen soll. Den plattdeutschen Gedichten sind 17 Zeichungen beigefügt, die Otto Speckter für die vierte Auflage des Quickborn (1856) angefertigt hat. Der Buchumschlag besticht durch eine klare Gestaltung, in der statische und dynamische Elemente, Bild und Schrift, kombiniert worden sind. Sicherlich hätte man bei der Auswahl der Texte das ein oder andere Gedicht weglassen oder hinzunehmen können, entscheidend ist jedoch, dass möglichst viele unterschiedliche Formen und Facetten aufgenommen wurden, in denen Groth als Lyriker, Erzähler, Sprachwissenschaftler und Privatmensch zu Wort kommt. Wünschenswert gewesen wäre allerdings eine tabellarische Übersicht der wichtigsten Lebensabschnitte und Entstehungsdaten der im Buch abgedruckten Werke (wie sie z.B. im Storm-Lesebuch vorhanden war), damit man sich die Informationen nicht erst mühevoll aus Einleitung und Quellenverzeichnis zusammensuchen muss. Erfreulich hingegen ist das Vorhandensein eines Glossars, welches Leserinnen und Lesern, die noch nicht mit Groths Platt vertraut sind, das Textverständnis erleichtert. Möge das Klaus-Groth-Lesebuch, zu dessen Erwerb hier nachdrücklich geraten werden soll, dazu beitragen, dass Groths Texte auch nach Beendigung des Jubiläumsjahres weiterhin gelesen und für kommende Generationen lebendig bleiben werden.
Robert Langhanke (Hg.): Klaus-Groth-Lesebuch. Heide: Boyens 2019. 184 Seiten. ISBN 978–3–8042–1519–1
Heft Artikel von: Thomsen, Heiko